Friedhof Ohlsdorf 2050

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Kritik

Das Thema Friedhof Ohlsdorf Agenda 2050 stößt mir immer wieder bitter auf, wenn ich Berichte darüber in den Zeitungen lese. Es tut mir regelrecht im Herzen weh, wie pietätlos mit dem Thema Tod und Trauer auf dem weltgrößten Parkfriedhof umgegangen wird.
Da ich selbst im Bestattung- und Friedhofswesen tätig bin, weiss ich nur zu gut, was in den Angehörigen, die einen wichtigen Menschen in ihrem Leben verloren haben, vorgeht. Sie erwerben Grabstätten nicht nur aus dem Grund der Beisetzungspflicht, sondern um einen Anlaufspunkt ihrer Verstorbenen zu haben,um Ihnen zu gedenken, mit ihnen zu reden und Ihnen das Gefühl zu geben, nicht in Vergessenheit zu geraten. Viele schaffen es auch über Jahre hinweg nicht, mit einem ruhigen Gefühl zur Grabstätte zu gehen, sondern suchen weiterhin die Gespräche mit Friedhofsmitarbeitern und brechen immer wieder in Tränen vor Trauer aus. Der Gedanke, umliegende Flächen nicht als Orte der Ruhe, sondern als kulturelle Höhepunkte zu nutzen, die dann folglich mit Lärm und Unruhe verbunden sind, ist für mich pietätlos und undenkbar.
Zudem ist es unlogisch sich auf ein bestimmtes Jahr für ein derartiges Projekt festzulegen. Sicherlich ist es wirtschaftlich gesehen plausibel Überhangflächen abzubauen. Es ist richtig, das Beisetzungen immer mehr in Urnenbeisetzungen übergehen, da sich die Bevölkerung kaum ich Erdbeisetzungen leisten kann, selbst wenn sie diese aus moralischen Gründen vorziehen würden. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Flächen, über die hier diskutiert wird, derzeitig mit Wahlgräbern belegt sind. Dies bedeutet,dass möglicherweise schon erworbene Grablagen noch frei und somit belegbar sind und Angehörige das Nutzungsrecht verlängern können. Dieses Recht haben Sie mit dem Kauf der Grabstätten erworben. Demnach werden die gewünschten Flächen nicht alle bis 2050 frei von laufenden Grabstätten sein. Das heißt, man kann eine "freie" Fläche nur so erreichen, indem man keine Neukäufe vergibt und wartet, bis sämtlich Grabstätten abgelaufen und abgeräumt sind. Eine mögliche Umbetten, falls dies um Erreichen des Zielen angemacht sein sollte, sollte aufgrund der Wahrung der Totenruhe nicht im vordern Fokus stehen. Sollte dies der Fall sein, würde ich es vorziehen, diese Flächen mit Unterstützung des NABU mit Pflanzen z.B. seltene naturgeschützte, Bänken zur Erholung, Wasserspielen z.B. Brunnen und Eingliederung verschiedener geschützter Tierarten z.B. Vögel oder Wildgänse aufzuwerten. Den kulturellen Aspekt könnte man locker schon dadurch umsetzen, das zum einen die älteren Grabstätten und Engelsfiguren zu Zeiten von Herrn Cordes erhalten werden und ganz wichtig, die Kapellen, welche zum Teil schon unter Denkmalschutz stehen, zu sanieren und somit als Kulturgut zu erhalten. Der jetzige Zustand der noch geöffneten Kapellen treibt mir Tränen in die Augen. Ich kenne den Zustand der Kapellen und des Friedhofes schon über längere Zeit, da ich ihn gerne für Spaziergänge und zum Besuch von Grabstätten nutze und konnte so die negative Veränderung gut beobachten.
Ideen wie Theater, Kindergärten, Bücherhallen, Grillplätzen und Fitnesskursen, kommen für mich nicht in Frage, denn sie sind mit einem Friedhofsgelände nicht vereinbar. Es wäre auch eher sinnvoll den Verkehr weiter zu beruhigen, da sich viele Besucher oder "Durchfahrer" nicht an die vorgeschriebenen 30kmH halten und noch nicht einmal dazu in der Lage sind, Trauerzügen den nötigen Respekt und Vorrang zu erteilen. Dies habe ich selbst schon mehrfach durch Zufall mit erlebt. Allein das zeigt mir, dass das Thema Pietät in der Bevölkerung recht klein geschrieben wird. Und es ist jetzt die Aufgabe der Friedhofsverwaltung und der entsprechenden Behörde, durch entsprechende Maßnahmen dem entgegenzuwirken. Das schafft man aber nicht, wenn man der Bevölkerung suggesstiert, das ein Friedhofsgelände auch als völlig normale Kulturstätte mit reger Besucherzahl und entsprechender Lärmbelästigung nutzbar ist. Wo bitte bleibt da die Bestattungskultur???!!!
Der Friedhof sollte sich erst einmal um die wesentlichen Dinge kümmern, die momentan die meisten Probleme hervorrufen. Denn auch für einfache Besucher wie mich, die sich auch mit anderen Grabnutzern unterhalten, ist ersichtlich dass durch die Schließung einiger Kapellen, die Wege der Angehörigen zur Grabstätte nach einer Trauerfeier extrem verlängert haben, so dass es schon für gesunde Menschen anstrengend wird teilw. bis zu 1h Fußweg in Kauf zu nehmen. Man stelle sich das aus Sicht eines gehbehinderten vor, zu denen viele ältere Leute gehören. Zudem fällt auf, das die Rahmenanlagen, welche früher in einem top Zustand waren, mittlerweile stark vernachlässigt werden. Woran liegt das? Wenn Herr Cordes und Herr Linne den jetzigen Zustand sehen könnten, würden Sie sich wohl eher im Grabe umdrehen. So wundert es mich auch nicht, das es der Friedhof bis heute nach mehrmaligen Versuchen nicht geschafft hat, zum UNESCO Weltkulturerbe anerkannt zu werden. Traurig!
Um es zusammen zu fassen. Ich bin aus wirtschaftlicher Sicht gesehen auch für einen Abbau von Überhangflächen und für neue Ideen der Beisetzung, die finanziell für den Durchschnittsbürger tragbar sind. Und ich bin auch für eine Aufwertung freier Flächen, durch landschaftsgärtnerische Veränderungen. Wobei man da den personellen Punkt der Pflege nicht ausser Acht lassen darf. Aber bitte Eines nach dem Andern. Bringt den Friedhof wieder in einen pietätvollen und kundenorientierten Zustand und kümmert euch danach um die Zukunft.